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Yoga in der Schwangerschaft


Aus den Erfahrungen meiner beiden Schwangerschaften und dem Austausch mit anderen Müttern, ob Yogalehrerinnen oder nicht, möchte ich in den nächsten Artikeln Ideen für die eigene Yogapraxis während der Schwangerschaft zusammenstellen. Meines Erachtens ist die Anleitung durch eine/n erfahrene/n Lehrer/in vor allem in der Zeit während und nach der Schwangerschaft eine wichtige Unterstützung. Wer aber gut in ihrer Praxis verankert ist und stets auf den eigenen Körper achtet, kommt auch gut allein zurecht.

Der natürliche Verlauf der Schwangerschaft ist darauf ausgelegt, dem Baby Raum zu geben. Gewebe und Bänder lockern sich, die Bauchmuskeln öffnen sich und schaffen Platz für das wachsende Baby. Die Organe weichen der sich ausbreitenden Gebärmutter. So soll auch deine Praxis dem Baby Raum schaffen - auf physische Art und Weise, indem du Orte streckst und dehnst, die sich eng anfühlen und dort Kraft aufbaust, wo mit der Zeit immer mehr Belastung entsteht. Die Yoga-Praxis kann dich aber auch unterstützen, geistig und emotional Raum für den neuen Menschen zu schaffen. Eine Schwangerschaft und ein Baby krempeln das Leben um. Fast alle werdenden Mütter sind irgendwann mit Ängsten, Unsicherheiten vielleicht sogar Wut konfrontiert. Yoga hilft, diese Gefühle zu verarbeiten und eine geborgene Umgebung für das Baby zu schaffen.

Ich beginne mit den physischen Aspekten im Yoga.

Unabhängig von deinem individuellen Körper/Zustand ist es wichtig, auf einige Dinge zu achten, vor allem, wenn man allein praktiziert.

- Wer ganz sicher gehen möchte und kein besonders erfahrenes Körperbewusstsein hat, sollte in den ersten 3 Monaten auf die Yogapraxis verzichten. Wenn sich die Schwangerschaft im Körper stabilisiert hat, können viele Sportarten und auch Yoga mit einigen Modifikationen wieder ausgeübt werden.

- Wer ein gutes Körperbewusstsein hat und sicher in der Praxis steht, kann auch während der ersten drei Monate eine leichte Praxis üben. Der Fokus sollte auf der Erfahrung des "neuen Körpers" liegen. Generell ist es wichtig, noch genauer als sonst auf die Zeichen des Körpers zu hören - weniger ist oft mehr.

- Es ist wichtig, immer zu atmen. Daher übe keine Pranayamas, die ein Luftanhalten beinhalten, da sonst dein Baby auch keine Luft bekommt. Dies kann zu Entwicklungs- oder sogar bleibenden Schäden führen. Ebenfalls sollte ein Hyperventilieren oder zu kraftvolles Atmen vermieden werden. Ein energetisierender Ujjayi-Atem unterstützt weiterhin deine Praxis - weitere Pranayama-Übungen sollten, wenn überhaupt, mit äußerster Vorsicht praktiziert werden. Wenn du mit gar keiner Atemtechnik vertraut bist, bleibe bei einem natürlichen, gleichmäßigem Atem während der gesamten Praxis.

- Drehungen der Wirbelsäule sollten in der Brustwirbelsäule stattfinden, nicht in der Lendenwirbelsäule. Orientierung kann hier der Stand des Beckens geben. Es sollte nicht mitdrehen. Nimm die Hände auf die Beckenkämme, wenn du drehst, und beobachte, ob sich ihre Position verändert. Du kannst dir auch vorstellen, dass der Bauchnabel immer nach vorn zeigen soll.

Für das Einleiten der Drehung streckst du die Seiten des Körpers bei der Einatmung bis unter die Achselhöhlen, ziehst dann die Sitzbeinknochen leicht zueinander, um das Becken zu fixieren und drehst die Brustwirbelsäule so weit sie es zulässt. Die Drehung ist oft nicht besonders tief, bearbeitet aber genau die Muskeln und das Gewebe, welche später durch den wachsenden Bauch beansprucht werden. Atme vor allem in die rückwärtigen, unteren Rippen und die Seiten des Körpers. Vermeide zu tief in den Bauch zu atmen, damit der Beckenboden nicht zusätzlich belastet wird. Halte den Bauch entspannt.

- Drehungen sollten immer zur offenen Körperseite erfolgen. Der Körper sollte bei der Drehung nicht gekreuzt werden - das bedeutet normalerweise, dass du in die andere als die gewohnte Richtung drehst. Tiefe Twists sollten vermieden werden. Versuche dafür dich lediglich aus der Kraft deines Rückens zu drehen, ohne dich mithilfe der Hände, Arme oder Beine in die Drehung zu hebeln.

- Der Stand in Kriegerpositionen, vor allem beim ersten Krieger und seinen Varianten und dem zweiten Krieger sowie Parsva Konasana (gestreckter Seitwinkel), Trikonasana (Dreieck) ist kürzer als gewohnt. Im ersten Trimester ist das zwar noch nicht ganz so relevant, aber der Körper braucht etwas Zeit, sich an die neue Position zu gewöhnen. Es ist leichter, Kraft in den Beinen aufzubauen, wenn der Stand kürzer ist. Durch den kürzeren Stand wird der Beckenboden entlastet und das Gleichgewicht wird sichergestellt.

- Bauchmuskelübungen sollten generell vermieden werden. Ein Tonus im Unterbauch hilft allerdings den Beckenboden zu stärken. Bitte beginne bereits zu Beginn der Schwangerschaft dich aus dem Liegen über die Seite aufzusetzen. Du stellst im Liegen die Füße an, rollst dann auf eine Körperseite und drückst dich von dort auf zum Sitzen. Für die meisten ist dieser Bewegungsablauf aus dem Auflösen von Savasana, der Endentspannung, bekannt. Nutzt diesen Ablauf auch beim morgendlichen Aufstehen aus dem Bett. Eure Bauchmuskeln werden es euch nach der Schwangerschaft danken.

- Deine Praxis sollte sich mehr und mehr an der körpereigenen Mittellinie orientieren. Zieh stärker als sonst die Peripherie ins Zentrum, die Füße zueinander, wenn du auf den Füßen stehst, die Arme und Beine zueinander, wenn du im nach unten schauenden Hund stehst. Verlängere diese Mittellinie dann mittels Schubgebung in den Boden und ein Wegstreben vom Boden. In Tadasana bedeutet das, die Beininnenseiten zueinanderzuziehen, Kraft aus dem Boden zum Becken zu ziehen. Vom Becken drückst du die Füße tiefer in den Boden und nutzt den Schub, um die Seiten des Körpers nach oben zu verlängern und die Kopfkrone Richtung Decke zu schieben (root to rise).

- Hüftöffner sollten, je nach Körper-Typ und Grundmuskeltonus, vorsichtiger und nicht so tief praktiziert werden. Das Bindegewebe und die Bänder werden mit der Zeit weicher und lockerer, sodass Dehnungen und Öffnungen leichter fallen als sonst. Dadurch erhöht sich allerdings auch die Verletzungsgefahr. Spürst du diese Weichheit und Offenheit im Körper, stärke ihn durch vermehrte muskuläre Arbeit und die Aktivität zur Mittellinie. Gerade zu Beginn der Schwangerschaft braucht der Beckenboden viel Kraft, um den Druck der wachsenden Gebärmutter zu halten.

- Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist es offensichtlich, dass die Bauchlage nicht mehr möglich ist - solltest du dich aber vorher unwohl auf dem Bauch fühlen, vermeide sie. Du kannst am Anfang das Becken mithilfe einer Decke (gefaltet oder gerollt) etwas erhöhen, um liegende Rückbeugen sanft zu praktizieren (Kobra, Sphinx). Verzichte darauf, sobald der Bauch auch mit Erhöhung des Beckens den Boden berührt. Modifiziere dein Vinyasa oder die Rückbeugen dann, indem du auf allen Vieren oder im Fersensitz in die Rückbeuge gehst.

- Rückbeugen wie Ustrasana (das Kamel) aber auch die Kuhhaltung im Vierfüßlerstand können ab einer gewissen Bauchgröße einen zu hohen Zug auf die geraden Bauchmuskeln ausüben. Wenn du ein leichtes Ziehen am Muskelansatz in Höhe des Rippenbogens spürst, dehne die Bauchdecke nicht mehr zusätzlich durch (tiefe) Rückbeugen.

- Umkehrhaltungen wie Kopftstand, Unterarmstand und auch Handstand können wegen der Sturzgefahr gefährlich sein. Praktiziere sie niemals allein und nur, wenn/ solange du dich wirklich sicher und stark genug fühlst. Variiere, indem du Viparita Karani (Beine und Füße die Wand hochlegen) praktizierst. Der Schulterstand kann ebenfalls recht wacklig werden - auch hier gilt, wenn du dich sicher fühlst, kannst du ihn praktizieren. Sobald du dich unwohl fühlst, spare dir die Umkehrhaltungen für nach der Schwangerschaft auf.

Wenn du schon fortgeschritten schwanger bist und dein Baby bereits den Kopf im Becken hat, kann es generell nicht sinnvoll sein, Umkehrhaltungen zu praktizieren. Manche Babys fühlen sich dadurch animiert, sich zu drehen, was in diesem Stadium nicht mehr erwünscht wäre.

- Wenn du noch keine regelmäßige Meditationspraxis hast, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, damit zu beginnen.

Solltest du doch in den Unterricht zu einem/r Lehrer/in gehen, sag ihm/ihr sofort Bescheid, dass du schwanger bist oder vermutest, schwanger zu sein. Die erste Zeit ist sehr sensibel und auch wenn du noch nicht jedem die Neuigkeiten verkünden willst, solltest du aus Sicherheitsgründen deine/n Lehrer/in einweihen. Das geht ganz diskret, indem du etwas eher zum Unterricht gehst, wenn noch niemand anderes da ist oder z.B. eine e-Mail schreibst.

Die nächsten Artikel beinhalten Ideen zur Gestaltung deiner Praxis zu Hause.

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